HEIMATLOSE BETEN FÜR HEIMATLOSE
Menschen lassen sich genauso wenig von herausragender Schönheit bewegen, wie sie sich von den schrecklichen Grausamkeiten in unserer Welt bewegen lassen. Stattdessen bewegt uns Menschen der Gleichschritt des Alltags. Das wird immer wieder dann deutlich, wenn schreckliche Dinge passieren. Wieder einmal werden wir von Bildern und Nachrichten aus vielen Teilen der Welt übereilt: Menschen werden auf grausamste Weise niedergemetzelt. Terroristen scheuen sich nicht einmal davor, Kinder hinzurichten. Und neben dem eigentlichen Schauplatz des Bösen gibt es Millionen, die plötzlich und unvorbereitet alles aufgeben mussten: Hab und Gut, Familien, Arbeitsplatz und alles, was zur Identität eines Menschen gehört, werden geopfert, um mit dem nackten Leben davon zu kommen.
Und es kommt noch schlimmer: Die sogenannten „sicheren Länder“ halten ihre Grenzen geschlossen. Der Weg in die Freiheit bleibt für die Flüchtlinge meist ein unerreichbarer Traum. Auch Europa ist für sie eine geschlossene Festung geworden. Seit dem Jahre 2000 sind an den Rändern Europas 23 000 Menschen gestorben, weil sie diese Festung nicht erreichen konnten. Wir können also hier in Europa nicht einfach so tun, als würden diese schrecklichen Dinge nie passieren! Weil wir uns fein sauber heraushalten.
Die schrecklichen Dinge sind aber nicht nur in weiter Ferne. Dadurch, dass Menschen aus diesen Regionen es dennoch zu uns geschafft haben, werden wir mit ihrer Welt konfrontiert. Und das ist gut so! Manchmal sind solche Menschen bei uns sogar Gemeindeglieder geworden. „Wenn ein Glied leidet, leiden alle Glieder mit.“ (1 Kor.12,26). So sind uns die Geschehnisse nahe gekommen. Lösungen zu den Problemen in der Welt haben wir dennoch nicht. Wir können aber unsere ganze Ohnmacht im Gebet aussprechen. Dazu auch Menschen, die selbst fliehen mussten, zur Sprache kommen lassen. Im Rahmen der Interkulturellen Wochen in Leipzig haben wir das getan. (www.leipzig.de/jugend-familie-und-soziales/auslaender-und-migranten/migration-und-integration/interkulturelles-leipzig/interkulturelle-wochen/) Gäste und Gemeindeglieder trafen sich in der St. Lukas Kirche in Volkmarsdorf am Freitag, den 26. September. Sie wollten innehalten und über die jüngsten Ereignisse in unserer Welt nachdenken. Vor allen Dingen aber wollten sie beten und die Not des anderen nachempfinden. Unsere Gemeindeglieder konnten davon berichten, wie es ihnen auf der Flucht ging und darüber hinaus, wie es ihnen heute in Deutschland geht. Eine Präsentation über die Situation der Flüchtlinge weltweit wurde mit einigen Erinnerungen und mit einem persischen Gedicht beleuchtet. Der persische Dichter Ahmad Schamelo schreibt u. A.: „HEIMAT IST, WO ICH AKZEPTIERT WERDE“.
Die meisten Flüchtlinge auf der Welt bleiben in ihrer geographischen Heimat, aber sie werden an ihren Heimatorten nicht mehr toleriert, sodass sie fliehen müssen. Weil der Weg in die Freiheit (ins Ausland) nicht möglich ist, bleiben sie heimatlos in ihrem eigenen Land. Einige Gemeindeglieder unter uns haben den weiten Weg in die Freiheit dennoch geschafft. Sie sind eine seltene Ausnahme. Aber auch, wenn man es bis nach Deutschland geschafft hat, ist der Weg immer noch nicht zu Ende. Denn auch in Deutschland fällt es schwer, Menschen zu finden, von denen man akzeptiert wird. Zunächst ist ja die Sprache eine große Herausforderung für jeden Migranten. Aber selbst dann, wenn die Sprachbarriere überwunden wurde, bleibt es ein sehr langer Weg, bevor man sich heimisch fühlt.
Wir Christen spüren eine natürliche Verwandtschaft zu solchen fremden Menschen. Sind wir nicht selber Fremdlinge und Pilger, die hier keine bleibende Stadt haben? (Hebr.13,14). Aber auch an anderen Stellen zeigt die Bibel diese Verwandtschaft zu Flüchtlingen an. Die Bibel liest sich nämlich regelrecht wie ein Buch der Flüchtlinge. Von den ersten Seiten an sind fast alle Glaubensväter Flüchtlinge gewesen. Jesus selbst musste mit seinen Eltern nach Ägypten fliehen, um den mörderischen Banden des Herodes zu entkommen. Deshalb können Christen jeden Flüchtling aus unserer Zeit gut verstehen. Aber noch wichtiger ist, dass Jesus sich selbst mit dem Fremden identifiziert: „Ich war fremd, und ihr habt mich beherbergt.“ (Mt 25, 31 ff).

Ein beleuchtetes Haus auf einer Weltkarte, soll einladend zwigen, dass es doch eine Heimat für den Flüchtling gibt
Das lebhafte Gespräch in der Runde wurde zum Schluss des Abends mit einem Lichtergebet beschlossen. Unsere Kinder aus der „Brücke“ hatten zuvor kleine Häuser mit einem Teelicht gebastelt. Diese Häuser wurden dann im Gedenken an die vielen Flüchtlinge in unserer Welt auf einer großen Weltkarte gelegt.Viele beteiligten sich an dem offene Gebet. Danach durften sich alle mit einer Kürbissuppe aus der „Brücke“ stärken.
Missionar Hugo Gevers